Mehrsprachige Audiobotschaften zu Gesundheitsthemen

Mehrsprachige Audiobotschaften zu Gesundheitsthemen

Die Medizinischen Dienste des Gesundheitsdepartements des Kantons Basel-Stadt haben während der Pandemie Audio-Botschaften zu Corona-Informationen in bis zu 16 Sprachen entwickelt und sin damit einen innovativen Weg in der niederschwelligen Vermittlung von Gesundheitsinformationen gegangen. In der Zwischenzeit wurde dieses Projekt thematisch erweitert – unter anderem im Bereich der Kindergesundheit:

Die Programmverantwortliche Nadia Pecoraro gibt einen Einblick in die Entstehungsgeschichte dieses innovativen Projekts, reflektiert die Herausforderungen in der Entwicklungsphase und zeigt auf, wo die Stärken und Schwächen dieses Ansatzes liegen. 

Autor:in

Interview Katharina Liewald, Co-Projektleiterin migesplus.ch

Woher kam die Initiative zur Erstellung und Verbreitung der Corona-Audios?

Während der Pandemie gab es viele neue Bestimmungen und man hat gemerkt, dass die sogenannten schwer erreichbaren (sozial benachteiligten) Zielgruppen nicht erreicht wurden mit diesen wichtigen Informationen. Edibe Gölgeli, eine Basler Grossrätin mit kurdischen Wurzeln ist auf mich zugekommen und hat mir erzählt, dass viele Personen ihrer Community die Corona-Bestimmungen nicht kannten - es also offensichtlich «Zugangsbarrieren» zu diesen Informationen gab. Sie hat auf der Basis der Botschaften des BAG selbst Sprachnachrichten aufgenommen. Diese lauteten dann ungefähr so: «Mein Name ist ..., ich habe offizielle Informationen zum Schutz vor dem Coronavirus und diese lauten folgendermassen...». Diese Sprachnachrichten hat sie dann über alle ihre Community-Kanäle versendet. Diese Audios haben sich wie ein Lauffeuer verbreitet.

Wir haben diese Idee aufgegriffen und für weitere Sprach-Communities umgesetzt. Jedes Mal, wenn neue Bestimmungen vom BAG publiziert wurden, haben wir diese Informationen in einer einfach verständlichen Sprache verfasst und die Texte anschliessend von interkulturellen Vermittelnden unserer Partnerorganisation HEKS übersetzen und sprechen lassen. Diese interkulturellen Vermittelnden haben diese Audios dann auch gleich in ihre Communities verbreitet. So hat sich für uns eine neue Möglichkeit entwickelt, Gesundheitsinformationen zu verbreiten. Die Idee ist quasi aus der Notlage während der Corona-Pandemie entstanden. Seither sind Audios ein Format, welches wir immer wieder zur Verbreitung von Gesundheitsinformationen einsetzen.

Wer sind die Zielgruppen dieser Audios?

Wir haben Audios zu verschiedenen Themen produziert: Zum Schutz bei Hitzewellen, zu Krankenkasse und Prämienverbilligung, zum Thema weibliche Genitalbeschneidung/female genital mutilation (FGM), zu Kindergesundheit und zum Thema Medienkonsum bei Kindern und Jugendlichen.
Die Auswahl der Sprachen ist je nach Thema unterschiedlich. Die Corona-Infos wurden damals in möglichst viele Sprachen übersetzt, soweit wir dies durch unsere Partnerorganisationen HEKS und Femmes-Tische abdecken konnten. Da ging es vor allem darum, möglichst viele Menschen zu erreichen. Bei der Kampagne zur Kindergesundheit (Kindernotfall) wollten wir in erster Linie Eltern mit Kleinkindern ansprechen. Da haben wir die Zielsprachen anhand statistischer Daten ausgewertet und aktuelle Ereignisse wie Ukraine berücksichtigt. Zudem konnten wir auf Erfahrungswerten aufbauen.

Konnten Sie die Zielgruppe bei der Entwicklung mit einbeziehen? Und in welcher Form wurden Fachpersonen einbezogen?

Eine Partizipation der Zielgruppen konnten wir in der ersten Phase leider noch nicht realisieren. Der Zeitdruck war während der Pandemie zu gross und wir stiessen auch bei der Qualitätssicherung der Übersetzungen an unsere Grenzen. Zum Einbezug der Fachpersonen schildere ich gerne unser Vorgehen am Beispiel Kinder-Notfall (Mein Kind ist krank – was tun?). Die Thematik der überlasteten Notfallstationen in Spitälern und Kinderarztpraxen waren ja schon länger in den Medien. An einem runden Tisch mit vielen verschiedenen Organisationen kam es unter anderem zur Erkenntnis, dass es im Bereich der Kindergesundheit viele verschiedene Anlaufstellen gibt, es für Eltern aber schwer sein kann einzuschätzen, in welcher Situation welche Anlaufstelle die Passende ist. Also wurde eine gemeinsame Sensibilisierungskampagne erarbeitet. Diese Kampagne besteht aus einem Flyer, einer Website und vier verschiedenen Audios in 16 Sprachen .

Ich denke, dass ein grosser Erfolgsfaktor die gemeinsame Erarbeitung mit den verschiedenen Organisationen war. Das war zwar aufwändig, aber weil alle involviert waren, konnten zum Schluss auch alle hinter dem Endprodukt stehen. Das war dann im Anschluss sehr wichtig für die Verbreitung. Die verschiedenen Stellen sehen es nun auch als ihr Produkt an und verwenden es aktiv bei der Kommunikation mit den Zielgruppen.

meinkindistkrank.ch
meinkindistkrank.ch

Zur besseren Erreichbarkeit von vulnerablen Menschen wird auch häufig mit Erklär-Videos gearbeitet. Sie erreichen Personen, die mit dem Lesen Mühe haben. Warum haben Sie Audios gewählt?

Die Idee haben wir ja von der Basler Grossrätin übernommen, welche zu Beginn der Pandemie gute Erfahrung mit der Verbreitung der Audio- Informationen in ihre Communities gemacht hat. Aber abgesehen davon war sicher der Zeitfaktor ein Grund. Ausserdem ist die Produktion von Videos teuer und aufwendig. Weiter sind die Audios einfach sehr niederschwellig. Bei den Audiobotschaften wird nur ein Sinn angesprochen, es geht nur ums Hören. Das kann man nebenbei machen. Sprachnachrichten haben mittlerweile Eingang in unseren Alltag gefunden. Um ein Video zu schauen, muss man sich einen Moment Zeit nehmen. Audiobotschaften sind günstiger in der Produktion und das Weiterleiten via Chats ist niederschwellig. Allerdings ist die Verbreitung der Audios schwer messbar. Wir konnten also bei den Corona-Audios nicht nachvollziehen, wie oft die versendeten Audios von den Erstempfangenden weitergeleitet worden sind.

Eure Audios sind zwischen 2 bis 4 Minuten lang und enthalten viele Informationen. Oft sind es aufeinander aufbauende Informationsfolgen. Was wissen Sie über die Rezeption dieser Audios bei der Zielgruppe? Wie sind die Rückmeldungen durch die Zielgruppe?

Wir haben lange an den Texten gearbeitet und einfache Sprache verwendet. Bei komplexen Inhalten muss man Kompromisse machen. Grundsätzlich gab es aber gute Rückmeldungen.

Gerade bei der Kindernotfallkampagne sind unsere Audios als Werkzeug für Fachpersonen zu sehen, die sie in der Kommunikation mit Menschen mit Sprachbarrieren unterstützten können. Die Beraterinnen bei der Elternberatung zeigen den Eltern beispielsweise, wie sie ihre Sprache auswählen können und die QR-Codes zu den Audios mit dem Handy scannen müssen. Beim gemeinsamen Anhören können Fragen beantwortet werden oder die Information kann zu Hause nochmals nachgehört werden. Von den Fachpersonen, welche die Audios in Beratungen einsetzen, erhalten wir auch sehr gute Rückmeldungen.

Damit beschreiben Sie das Konzept von migesplus, das zum Ziel hat, Gesundheitsinformationen über die Fachperson an die Zielgruppe weiterzugeben und begleitend zu vermitteln. Darauf bauen Sie auch bei diesen Audios auf?

Ja genau. Aber ganz wichtig war, dass vorgängig bei den Fachpersonen abgeholt wurde, welche Inhalte ihnen denn überhaupt in der Kommunikation mit den Zielgruppen dienen.

«Das Allerwichtigste war die Zusammenarbeit von Beginn an mit all den Organisationen, die die Audios nun auch einsetzen. Das war die wichtigste Grundlage»

Was sind eure zentralen Erkenntnisse aus diesem Projekt? Ich denke hier an andere Fachpersonen. Welche positiven Erfahrungen gibt es? Was würden Sie heute anders machen?

Ich glaube, das Allerwichtigste war die Zusammenarbeit von Beginn an mit all den Organisationen, die die Audios nun auch einsetzen. Das war die wichtigste Grundlage.

Weiterhin denke ich, dass die Zielgruppe sehr dankbar dafür ist, wenn etwas so einfach wie möglich dargestellt und zugänglich ist. Das gilt nicht nur für die fremdsprachigen Zielgruppen. Grundsätzlich war es eine wichtige Kampagne für das gesamte System der Kindergesundheit. Darauf kann man aufbauen - auch für den Erwachsenenbereich.

Rückblickend war es schade, dass wir die Apotheken nicht von Beginn an in die Erarbeitung der Kampagne involviert haben. Es wäre wichtig gewesen, diese sehr niederschwelligen Anlaufstellen von Beginn an mit an den Runden Tisch zu nehmen. Dies haben wir nachträglich noch entsprechend nachgeholt.
Auch die partizipative Arbeit mit den direkten Zielgruppen haben wir mittlerweile etabliert und mit ihnen Sensibilisierungsveranstaltungen für Eltern auf die Beine gestellt.

«Unserer Erfahrung nach ist es sehr wichtig, schon von Beginn an zu überlegen, wie eine Information verbreitet werden soll. Und zwar bevor die Information schon formuliert oder erarbeitet ist.» Nadia Pecoraro

Als abschliessende Empfehlung: es ist wichtig, von Beginn an zu überlegen, über welche konkreten Wege eine Information verbreitet werden soll. Und zwar bevor die Information schon formuliert oder erarbeitet ist.  

Damit sind wir bei einem Kernthema von migesplus angelangt: die geeigneten Zugangswege zu den sozial benachteiligten Zielgruppen. Wie können wir als Fachpersonen dafür sorgen, dass Hürden bei der Vermittlung von Gesundheitsinformationen abgebaut werden. 

Nadia Pecoraro hat einen Master in Exercise and Health Science und arbeitet seit vielen Jahren im Bereich Gesundheitsförderung und Prävention des Kantons Basel-Stadt. Dort leitet sie das Programm „Gesundheitskompetenz und Chancengleichheit“. Ihr Fokus liegt darauf, Informationslücken zu schliessen und Unterstützungsangebote besser zu vernetzen. Mit der Zusammenarbeit mit Schlüsselpersonen will sie sicherstellen, dass Angebote die Menschen erreichen, die sie am meisten benötigen.
Nadia Pecoraro hat einen Master in Exercise and Health Science und arbeitet seit vielen Jahren im Bereich Gesundheitsförderung und Prävention des Kantons Basel-Stadt. Dort leitet sie das Programm „Gesundheitskompetenz und Chancengleichheit“. Ihr Fokus liegt darauf, Informationslücken zu schliessen und Unterstützungsangebote besser zu vernetzen. Mit der Zusammenarbeit mit Schlüsselpersonen will sie sicherstellen, dass Angebote die Menschen erreichen, die sie am meisten benötigen.

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