Freiwilligenarbeit aus eigener Erfahrung

Freiwilligenarbeit aus eigener Erfahrung

Pinar ist in die Schweiz geflüchtet. Nun ist sie selbst als Freiwillige tätig und unterstützt neu zugezogene Personen dank ihrem Wissen und ihre Erfahrungen.

Autor:in

Ruth Thommen, Projektleiter:in Partizipation/Gesundheitliche Chancengleichheit beim SRK | Fabienne Ettlin, Gesundheitliche Chancengleichheit SRK

Bild von drei Freiwilligen vom Verein Mazay

Pinar kam 2017 mit ihrem Mann aus der Türkei in die Schweiz. Der Start war herausfordernd. Durch ihre Teilnahme an einem Deutschkurs und späteres Engagement als Freiwillige fand sie ihren Weg und möchte nun anderen Geflüchteten helfen.

Pinar, du bist seit einigen Jahren aktive Freiwillige bei Mazay. Wie ist es dazu gekommen? 

Als ich neu in der Schweiz war, stellte ich mir oft die Frage: Was kann ich hier tun? Alles war fremd – das Land, die Kultur, die Menschen. Im Asylzentrum hatten wir zunächst keine Orientierung, also begann ich, mir selbst Deutsch beizubringen – mit YouTube-Videos. Sechs Monate später lernte ich Dominik kennen. Er hatte den Verein Mazay gegründet, um Geflüchteten über 25 Jahren und ohne Anspruch auf Sprachförderung Deutschunterricht anzubieten. Auf Empfehlung meiner Zentrumsleitenden, habe ich den Deutschkurs mit Mazay begonnen. Er dauerte sechs Monate lang, jeden Tag von acht bis zwölf Uhr und danach assen wir jeweils gemeinsam. Es war mehr als nur Unterricht – es war ein Ort der Begegnung. Auch Dominiks Freunde kamen oft vorbei, und so wuchs mein soziales Umfeld. Als der Kurs endete, hielt ich immer noch meinen N-Ausweis in der Hand. Mit diesem Ausweis hast du nichts!

Daher wollte ich auch Mazay nicht einfach hinter mir lassen. So entstand die Idee, dass ich als freiwillige Klassen-Assistentin mithelfen könnte. Schon bald wurde uns klar, dass viele Geflüchtete nicht nur beim Deutschlernen Unterstützung brauchen, sondern auch im Alltag. Viele haben Probleme wegen der eigenen Fluchtgeschichte oder durch die lange Wartezeit für den Entscheid über das Asylgesuch. Also begannen wir, weitere Projekte und Events zu organisieren. Ich habe Alltagsbegleitung gemacht und jetzt bin ich Präsidentin vom Verein Mazay und koordiniere die Nachhilfe.

Was motiviert dich für dein Engagement? 

Ich bin Geflüchtete und ich bin in der Schweiz eine Ausländerin. Ich weiss, mit welchen Herausforderungen Menschen in dieser Situation konfrontiert sind. Für mich war es anfangs die Sprache und das Einleben in die neue Gesellschaft. Deutsch zu lernen war meine grösste Herausforderung. Ich habe immer gedacht: «Wenn ich Deutsch lerne, dann sind alle Probleme weg!» Doch das war nicht der Fall. Ich habe Deutsch gelernt und dann kam das nächste Problem. Dann dachte ich, wenn ich den Entscheid von SEM erhalte, sind meine Probleme weg. Doch dann kam die Herausforderung eine Arbeit zu finden. Die Frage, welche Möglichkeiten Menschen mit Migrationsgeschichte in der Schweiz haben, ist eine grosse und oft schwierige. Vor allem, wenn man in seinem Heimatland keinen klar definierten Beruf hatte, ist es nicht einfach, hier Fuss zu fassen. Genau deshalb engagiere ich mich als Freiwillige – weil ich diesen Weg selbst gegangen bin und weiss, wie wichtig Unterstützung ist.

Du bist selbst als Geflüchtete in die Schweiz gekommen. Wie wurdest du begleitet?

Ich habe sehr gute Erfahrungen gemacht. Zum Beispiel unsere Sozialarbeiterin im Asylzentrum war sehr engagiert und wollte uns wirklich helfen. Sie bemerkte, dass wir motiviert waren und etwas suchten, aber gleichzeitig auch sehr unsicher waren. Wir fühlten uns wie im grossen Meer und schwammen ziellos umher. Auch bei der Wohnungssuche erhielten wir Unterstützung. Wichtig war für uns, dass wir fragen konnten und gleichzeitig klar zeigen, dass wir uns auch einsetzen. Wir wollten nicht nur Unterstützung empfangen, sondern auch selbst aktiv sein. Wir wurden sehr unterstützt in unserer Selbständigkeit. Diese Unterstützung ist sehr wichtig.

Und was ist dir jetzt besonders wichtig bei der Begleitung von Menschen? 

Für uns Freiwillige ist die Begleitung von Personen keine Arbeit, sondern eine Herzenssache. Wenn ich heute als Freiwillige arbeite, ist es für mich eine Priorität, genau zu verstehen, was die Menschen wirklich brauchen. Man muss sich gut in die Situation der Person hineinversetzen – und zwar wirklich gut. Freiwillige müssen zudem wissen, in welchen Bereichen sie gut sind und wie sie die Menschen am besten unterstützen können. Empathie spielt dabei eine zentrale Rolle. Ich versuche immer, empathisch zu sein, weil ich dann am besten helfen kann. Für mich ist das eine der wichtigsten Fähigkeiten. Ich persönlich möchte da sein für die Menschen. Es gibt viele soziale Aspekte – wir lernen die Familien kennen, wir trinken zusammen einen Kaffee oder essen am Abend. 

«Für uns Freiwillige ist die Begleitung von Personen keine Arbeit, sondern eine Herzenssache.»

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